Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt

Immer der Nase nach: Neue Wirkmechanismen von Duftstoffen im menschlichen Körper

Gerüche wecken Assoziationen und Emotionen, beeinflussen unser Leben, mehr als wir glauben. Und doch ist der Geruchssinn erst wenig erforscht. Wissenschaftler spüren ihm nach von der Nase bis ins Gehirn und haben inzwischen entdeckt, was biochemisch passiert, wenn wir uns an einen Duft gewöhnen und wie Düfte Gestalt annehmen. Folgen wir der Geruchsspur ins Mikroskopische, so erkennen wir, dass alle duftenden Gegenstände ständig flüchtige Moleküle in die Luft abgeben. Fast alle natürlich vorkommenden Gerüche sind komplizierte Mischungen aus Hunderten verschiedenen Molekülen. Beim Einatmen nehmen wir diese Moleküle in unseren Nasenraum auf. Dort befindet sich im obersten Bereich das sogenannte Riechepithel, in dem wir die eigentlichen Riechsinneszellen finden, beim Menschen ca. 25 Millionen. Deren Zellmembran enthält alle molekularen Komponenten, die dafür sorgen, dass wir Tausende verschiedener Düfte selbst in geringsten Konzentrationen unterscheiden können. Die Umsetzung des chemischen Duftreizes in ein elektrisches Zellsignal erfolgt über einen kaskadenartigen biochemischen Verstärkungsmechanismus. Jedes Duftmolekül muss zuerst an einen spezifischen Riechrezeptor andocken und löst dadurch an der Zelle Stromimpulse aus, die bis zum Riechhirn geleitet werden und es informiert über die Anwesenheit eines Duftes. Seit 25 Jahren kennt man die Riechrezeptorproteine, die für die Bindung der Duftstoffe verantwortlich sind. Säugetiere wie Maus und Ratte haben bis zu 1000 verschiedene dieser Rezeptoren in ihrer Riechschleimhaut, Menschen dagegen „nur“ noch ca. 350. Es ist aber weiterhin die größte Genfamilie in unserem Erbgut. Vor einigen Jahren konnten wir zeigen, dass ein Riechrezeptor sehr spezifisch empfindlich für eine bestimmte chemische Duftgruppe ist. So gibt es Rezeptoren, z.B. für Vanilleduft, Moschusduft, Buttersäure. Die Struktur der Rezeptorproteine ist relativ einheitlich, unterscheidet sich aber in der Bindetasche, in die die Duftstoffmoleküle hineinpassen müssen. Man kann dies mit dem Schloss- und Schlüsselprinzip vergleichen. Wir konnten die ersten Riechrezeptoren des Menschen hinsichtlich ihres Duftspektrums detailliert analysieren. Es gelang uns außerdem, für einen dieser Rezeptoren, der auf den Duft von Lilial reagiert, einen Duftstoff zu finden, der diesen Rezeptor blockieren kann, das Undecanal. Diese interessanten Forschungsergebnisse können dazu beitragen, unangenehme Düfte hoch selektiv in unserer Nase „auszublenden“.

Interessanterweise findet man, wie wir vor einigen Jahren zeigen konnten, einige dieser menschlichen Rezeptoren nicht nur in der Nase, sondern in allen Körperzellen, u. a. auch den Spermien. Spermien besitzen über 20 Riechrezeptoren aus der Nase und reagieren auf Düfte, wie Lilial (Maiglöckchen) oder Myrac (Orange) positiv chemotaktisch. Da wir im Vaginalsekret auch entsprechend viele Duftstoffe gefunden haben, könnte dies zur Wegfindung hin zur Eizelle entscheidend beitragen.

Inzwischen konnten wir Riechrezeptoren in Hautzellen (Keratinozyten) nachweisen und zeigen, dass eine Aktivierung des Rezeptors für Sandelholzduft zu einer verstärkten Regeneration der Hautzellen führt und damit auch die Wundheilung beschleunigt. Ein Riechrezeptor im Herzen, der auf Fettsäuren aus dem Blut reagiert, reduziert die Herzfrequenz und -kraft oder Rezeptoren in den Bronchien beeinflussen die Luftzufuhr zur Lunge. Darüber hinaus gelang es vor allem, Riechrezeptoren in Tumorzellen zu detektieren, wie Prostata-, Leber- oder Blutkrebs, wo sie oft in großen Mengen zu finden sind. Hier führt eine Aktivierung des Rezeptors zu einer Reduktion des Zellwachstums und somit Hemmung des Tumorwachstums. In weiteren Geweben, wie Darm, Lunge oder Magenzellen wird die Funktion der Riechrezeptoren zurzeit untersucht. Solche experimentellen Fortschritte werden schnell dazu beitragen, besser die zellulären und kognitiven Prozesse zu verstehen, die dazu führen, dass Düfte unsere Befindlichkeit verändern oder sogar Krankheiten heilen können (Aromatherapie) . Dies genau zu verstehen, ist gerade in der heutigen Zeit, in der wir uns wieder zunehmend der Bedeutung von Düften für unser Leben bewusst werden, besonders wichtig.

Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt

Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Zellphysiologie, Fachbuchautor, wurde mehrfach für seine Forschungen ausgezeichnet.

Die Forschungsschwerpunkte von Hanns Hatt liegen auf dem Gebiet der Neuro- und Sinnesphysiologie, in denen er Beiträge geleistet hat, die in über 200 originalen Publikationen in Fachjournalen dokumentiert sind.  

 



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